Ostfjorde Süd - Von Höfn nach Fossardalur
Hinweis: Die Bilder können zum Vergrößern angeklickt werden. Hinter dem Weltkugelsymbol verbirgt sich ein Link zur jeweiligen Sehenswürdigkeit auf Google Maps
Als ich in Höfn ankam, war ich bereits 5 Wochen auf Tour. Ich entschloss mich einen Putz- und Ruhetag einzulegen. Der Land Cruiser musste gründlich gereinigt werden. Der Staub des Hochlandes hatte sein frisches Steingrau in ein abenteuerliches schlammfarbenes Braun verwandelt. Jeder Regenschauer ließ Bäche trüben Wassers hervorbrechen, die sich in endlosen Rinnsalen dem Boden entgegen schlängelten. Auch der Innenraum wies deutliche Gebrauchsspuren auf.
So verbrachte ich einen gemütlichen Tag mit dem Aus-, Um- und Einräumen meines Gepäcks, Wäschewaschen und -trocknen, Auto putzen, kochen und 'Nichts tun'. Für die nächsten beiden Tage plante ich die 250 km zwischen Höfn und nach Egilsstaðir zurückzulegen. Zwischenstopp sollte der hoch gelegene, malerische Campingplatz in Fossardalur sein. Die erste Tagesetappe betrug entspannte 130 km und ließ viel Spielraum für Wandern und Fotografieren.
Während meiner 8 Wochen in Island hatte ich den Luxus meine Tour nach dem Wetter ausrichten zu können. Für die kommenden Tage zeigte die Vorhersage strahlenden Sonnenschein über dem südlichen Teil der Ostfjorde. Voller Vorfreude erwartete ich traumhaftes Wander- und Fotowetter.
Höfn
Höfn ♪ bedeutet Hafen. Mit ca. 1700 Einwohner ist es die größte Stadt im Südosten und besitzt alles was das Herz begehrt: Zahlreiche Unterkünfte, Tankstellen, Restaurants sowie je einen Supermarkt, Fischladen, Vínbúðin, Camping Platz, Golfplatz und natürlich ein Schwimmbad. Der Ort ist ideal um entweder die Gletscherlagunen und den Vatnajökull Nationalpark im Westen oder die Fjorde im Osten zu erkunden.
Seit 1993 ist das letzte Wochenende im Juni ein ganz besonderes Wochenende. Ein großer Teil des isländischen Hummerfangs wird in Höfn angelandet. Ende Juni ist es Zeit für das Humarhátíð humar ♪ (Hummer) hátíð ♪ (Feier, Fest) - also dem Hummerfest oder Lobster Festival. An allen Ecken und Enden schmücken die Bewohner ihre Stadt mit orangenfarbiger Dekoration. Es gibt frische Hummersuppe und kleine Aktionen. Das bunte Treiben mitten im isländischen Hochsommer lockt Besucher aus allen Regionen an.
2020 wurde das Fest auf Grund der Covid-19 Pandemie abgesagt. Ob es 2021 wieder stattfinden kann, muss erst noch entschieden werden.
Nach meinem Putztag startete ich von Höfn auf der Ringstraße Richtung Egilsstaðir. Der Himmel zeigte sich wolkenverhangen und trüb. Zu dem Zeitpunkt dachte ich mir noch nichts dabei. Schließlich ändert sich das Wetter in Island oftmals innerhalb weniger Minuten.
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⌘ Startpunkt, Höfn Parkplatz mit Blick zum Vestrahorn
Startpunkt
Als Einstimmung auf die Ostfjorde fuhr ich zum Óslandshæð, einen am Meer gelegenen Hügel. Vom Fischerdenkmal aus bietet sich die Möglichkeit einen ersten Blick auf das nur wenige Kilometer entfernte Vestrahorn zu werfen. Wer Zeit und Lust hat, kann den malerischer „Náttúrustígur“ (Naturlehrpfad) entlang gehen. Hier wurde ein Modell des Sonnensystems um das 2,1-milliardenfache verkleinert. Für die knapp 3 km von der Sonne zum Neptun braucht man hin und zurück etwas mehr als eine Stunde.
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⌘ Stokksnes, Vestrahorn, Viking Café
17 km | 21 min
Stokksness ist die Landzunge am Fuße des Klifatindur Bergmassivs. Die Berge Vestrahorn und Brunnhorn (Batman-Berg) sind Gipfel dieses Bergmassivs und eines der Highlights jeder Islandreise. Es gibt unzählige, atemberaubende Fotos dieser Naturkulisse. Wer einmal hier war, weiß weshalb. Selbst bei vermeintlich schlechtem Wetter hat diese Gegend eine unglaubliche Wirkung. Die fast 800m hohen Berge überragen majestätisch den tiefschwarzen Strand. Ein scharfer Wind treibt hohe Wellen und salzige Luft ins Land während man mühsam versucht die mit saftigem Grün überwachsenen Dünen zu erklimmen. Erst am Ende der Landzunge, beim Leuchtturm und der 1955 von den Amerikanern errichteten Radarstation erkennt man das Bergmassiv in seiner ganzen Größe.
In Island gibt es viel Privatbesitz. Teilweise sind riesige Ländereien seit Jahrhunderten Eigentum einheimischer Familien. So auch der Strand von Stokksnes. Umgerechnet 7-8 Euro - auch für Fußgänger und Wanderer - kostet der Eintritt um an die Spitze der Landzunge zu gelangen. Den Betrag bezahlt man im Viking Cafe und erhält dort im Gegenzug eine Karte mit der man durch die Schranke Richtung Strand fahren kann. Ob es sich lohnt die 1,5 km mit dem Auto zu fahren, ist die Frage. Auf der Strecke gibt es zwar immer wieder Haltebuchten, aber beim nächsten Mal werde ich den Land Cruiser am Viking Cafe abstellen und laufen. Erstens ist es ein einfacher Spaziergang an der frischen Luft und zweitens entdeckt man beim Laufen die deutlich besseren Fotoperspektiven.
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⌘Fremstifoss und Skútafoss, Wasserfälle
14 km | 15 min
Perfekt für einen kurzen Zwischenstopp während der Fahrt. Von der Ringstraße führt ein Schotterweg zum Fremstifoss. Dann sind noch ca. 600 m am Fluss entlang durch ein kleines Tal, bis ihr den Skútafoss und eine kleine Höhle erreicht.
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⌘ Red chair, Ein roter Stuhl im Nirgendwo
0,5 km | 1 min
Gegenüber der Abzweigung zum Skútafoss findet ihr den 'roten Stuhl' direkt neben der Ringstraße. Auf einem Felsblock montiert ist er etwas größer als üblich. Ein belebender Farbklecks mitten in der 'Sinfonie in Grau'.
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⌘Hvalnes Leuchtturm und Eystrahorn
30 km | 22 min
Hvalnes von hvalur ♪ (Wal) und nes ♪ (Landspitze, ~zunge, Halbinsel) bedeutet"Walhalbinsel". Der Leuchtturm bietet bei guter Sicht einen fantastischen Blick auf den kilometerlangen, schwarzen Sandstrand. Er ist die Verbindung der die beiden Bergmassive Vestra- uns Eystrahorn. Auf beiden Seiten von Wasser umgeben, spiegeln sich an windstillen Tagen die umliegenden Berge darin.
Zumindest habe ich bereits wunderschöne Bilder anderer Leute von diesem Ort gesehen, auf denen es so war. Bei meinem Besuch zog sich der Nebel immer dichter zusammen. Als es leicht zu regnen begann, zweifelte ich so langsam an der Wettervorhersage. Fröstelnd zog ich meine dicke Jacke an, drehte die Heizung des Autos hoch und fuhr meinem nächsten Ziel entgegen, der Lækjavík Bucht.
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⌘ Lækjavik, Strand Stapavík Stapinn Felsen
9,5 km | 10 min
In dieser Bucht machte ich innerlich einen Haken hinter das Wetterthema. Keine Ahnung wie es hier bei Sonnenschein aussieht. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es auch nur annähernd so umwerfend ist, wie an diesem Tag. Was für eine Kulisse. Mystisch verborgene, nebelumwobene Berge in der Ferne. Das Meer umspielt den einsamen Felsen, Relikt eines längst vergangenen Vulkanausbruchs. Monolithisch trotz er den Gezeiten. Raue, klare Salzluft umspielt meine Nase während ich dasitze und in völliger Abwesenheit anderer Menschen Raum und Zeit genieße:
Du spürst die Lebensenergie
Die durch dich durchfließt
Das Leben wie noch nie in Harmonie und genießt
Es gibt nichts zu verbessern
Nichts was noch besser wär'
Außer dir im Jetzt und Hier
Und dem Tag am Meer
(Die Fantastischen Vier - Tag am Meer)
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⌘Fauskasandur, Strand
1,5 km | 2 min
Nach und nach fanden ein paar isländische Familien den Weg nach Lækjavik. Der Platz um den Felsen bevölkerte sich zusehends. Die Kinder tobten barfuß in den Wellen und ich machte mich auf Richtung Fauskasandur. Ein kleiner Pfad entlang der Küste führt geradeaus in das unberührte Landschaftsschutzgebiet. Hier kann man ungestört zahlreiche Vogelarten beobachten, am Strand entlangwandern und die Natur genießen.
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Am frühen Nachmittag kehrte ich zum Auto zurück. Der Nebel wurde immer dichter. Am Abend lernte ich am Campingplatz in Fossadalur von der Besitzerin das isländisches Wort dafür kennen: Austfjarðaþoka
AustfjarðaþokaAustfjarða = Ostfjorde | þoka ♪ = Nebel ist die Bezeichnung für den dicken, undurchdringlichen, lang anhaltenden Nebel der Ostfjorde. Das Phänomen ist sowohl bekannt, als auch berüchtigt. Verursacher ist der Ostislandstrom, eine kalte Meeresströmung, die südlich von Langanes entlang Ostislands nach Süden verläuft. Der Nebel bedeckt häufig Land und Meer. Wenn man die einsame, kurvenreiche Küstenstraße entlangfährt, wird er mit Sicherheit eins tun: Die Reise verlangsamen! Schnelles Fahren ist bei dieser Sicht das perfekte Verhalten für eine Katastrophe.
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⌘ Þvottá, Rastplatz mit Ausblick
3,6 km | 3 min
Rastplätze sind in Island manchmal schwer zu finden. Vor allem Parkplätze mit Toiletten. Þvottá ist war1) einer dieser seltenen Orte. Ein kleiner Picknick- und Parkplatz mit historischer Vergangenheit, Aussicht und der Möglichkeit ein kleines Stück bergauf in eine bizarre Felsenlandschaft zu gehen.
1) Leider waren die Toiletten im Juli/August 2021 nicht mehr vor Ort. -
⌘ Djúpavogskörin, Hotpot Thermalbad
37 km | 28 min
Ein ganz spezieller 'Hot Pot' vor den Toren Djúpivogurs. Eine kleine Holzterasse, ein rustikaler Kleiderständer, eine große Edelstahlwanne voll mit warmem Wasser. Das Ganze mitten im Nirgendwo der grandiosen isländischen Landschaft. Was will man mehr?
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⌘Djúpivogur, Ort
3,2 km | 4 min
Der Ort ist geprägt vom Meer und dem 1069 Meter hohen, pyramidenförmigen Berg Búlandstindur. Abends geht die Sonne direkt hinter Búlandstindur unter und wirft fotogen ihre letzten Strahlen über den Ort. Djúpivogur ist Mitglied von Cittaslow, einer internationalen Vereinigung für langsames Leben. Bereits am Ortseingang weisen entsprechende Schilder darauf hin. Wenn man gemütlich durch den Ort schlendert, weiß man sofort weshalb. Hier wirkt alles entspannt. Kein Lärm, kein Verkehr. Im Hafen gemütliches Treiben. Wer Ruhe und Abgeschiedenheit sucht, ist hier richtig.
⌘LangabúðErbaut im Jahre 1790 ist das Langabúð nicht nur das älteste Haus im Ort sondern vermutlich der ganzen Gegend. Hübsch renoviert, beherbergt es ein Café sowie ein Heimat- und Kunstmuseum.
Im Sommer startet täglich eine 4-stündige Bootstour zur vorgelagerten Insel Papey. Aktuell ist die Insel unbewohnt. Aus längst vergangenen Tagen findet man Reste menschlicher Besiedlung. So wie die älteste und kleinste Holzkirche Islands aus dem Jahr 1807 und einen Leuchtturm aus dem Jahr 1922. Ansonsten bietet Papey eine atemberaubende Natur bevölkert von Robben, Schafen und Seevögel wie Papageientaucher, Eiderenten u.v.m..
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⌘ Gleðivík, Kunstwerk im Freien
1 km | 3 min
34 Graniteier. Je eins pro Vogelart, die in dieser Gegend brüten. Der renommierte, isländische Künstlers Sigurður Guðmundsson hat am Ortsrand von Djúpivogur ein visuelles Kunstwerk geschaffen. Entlang der Küstenstraße aufgereiht, weisen sie den Weg zum Meer.
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⌘ Úlfseyjarsandur, Strand, Wanderung
Am Schwimmbad in Djúpivogur startete eine Wanderung zum vorgelagerten Úlfseyjarsandur. Folgt ihr den Schildern Richtung Hringsjá führt der Weg über Moosland zwischen zwei Seen hindurch. Kurz nach den Seen geht der Pfad in eine Schotterstraße Richtung Strand über. Am Ende, erwartet euch ein schwarzer Sandstrand. Wie der Bereich rund um das Vestrahorn ist er voller Hügel überwachsen mit grünem, saftigem Gras.
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⌘Teigarhorn Natural Monument
3,7 km | 6 min
Der Besuch des Teigarhorn Natural Monument fiel buchstäblich ins Wasser. Es regnete so stark, dass ich nicht einen Gedanken daran verschwendete das Auto freiwillig zu verlassen. Bei gutem Wetter wäre hier ein ideales Fotomotiv gewesen. Idyllisch am Fjord gelegen, hebt sich das Teigarhorn Natural Monument tiefschwarz von den umgebenden grünen Wiesen und der schneebedeckten Bergkette im Hintergrund ab. Heute war es allerdings nur ein undeutlich erkennbares, dunkles Gebäude in einer von grauen Regenschwaden verhüllten Landschaft.
Seit 1992 gehört die Teigarhorn-Farm zur Sammlung historischer Gebäude des Nationalmuseums von Island. 2013 wurde das umgebende Land zum Naturschutzgebiet erklärt. Um das Naturdenkmal herum ist einer der bekanntesten Zeolith-Orte der Welt. Zeolith (altgrechisch: „Zeo“ - „sieden“ | „lith“ - Stein) ist ein Tuffgestein. Das feinporige Material entsteht wenn flüssige Lava in salziges Meereswasser fließt. Wer Lust hat, kann im Internet nach Zeolith suchen. Gefunden wird die Info, dass Spülmaschinen Zeolith zum Trocknen von Geschirr nutzen sowie unzählige medizinische Präparate, deren Wirkung allerdings stark umstritten ist.
Warnung: Es ist strengstens verboten, Zeolith mitzunehmen, unabhängig davon, ob es lose herumliegt oder nicht.
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⌘Fossardalur Campsite
13,4 km | 14 min
Den letzten Abschnitt legte ich dick vermummt, mit laufender Heizung - es war Ende Juli - zurück. Eine gut zu befahrende Schotterstraße führte hinauf in die Berge zum Campingplatz. Reisende, die eine feste Unterkunft bevorzugen, finden auf demselben Grundstück das Guesthouse Fossardalur.
Die Lage ist traumhaft. Das Tal liegt friedlich abseits der Touristenpfade, umgeben von Bergen und Flüssen. Als ich ankam hörte es gerade auf zu regnen, der Nebel lichtete sich und ich verbrachte einen Abend inmitten isländischer Familien, die ihren Sommerurlaub - Corona bedingt - 'zu Hause in Island' verbrachten.
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Beim Schreiben dieses Artikels, fiel mir auf, dass dieser Tag - trotz oder gerade wegen der Wetterlage - einer meiner Schönsten war. Die fantastische Natur, das herbe, raue Klima, die Abgeschiedenheit und Stille, das gemächliche Leben, der Klang der isländischen Sprache um mich herum...
Þvílíkur yndislegur dagur!
Was für ein wundervoller Tag!