08. Dezember | 2019
'… Rasch eilten die beiden Freunde aus der Höhle und standen ergriffen still vor der überirdischen Pracht, die sich ihren Blicken bot. Die Mitternachtssonne glänzte über dem weiten Meer und den dunklen Felsmassen rundum. Ihre Stahlen funkelten wie Diamanten und übergossen in unbeschreiblich bunten Farben das ganze Land. Als Björn sich zu seinem Gefährten wandte, war dieser so verändert, daß er aufschrie vor Freude und Staunen...'
Als Kind hatte ich das Glück eine Großmutter zu haben, die mir an langen, düsteren Winternachmittagen unermüdlich meine Lieblingsmärchen vorlas. Eines davon war 'Den hat gewiß die Mitternachtssonne beschienen'. Es stammte aus einem alten, abgegriffenen, von Generation zu Generation weitergegebenen Märchenbuch. Obwohl dem Buch schon etliche Seiten fehlen und einer der Vorbesitzer Teile der Bilder herausgeschnitten hat, kann ich mich nicht vom ihm trennen und besitze es noch heute.
Doch was hat eine zurückliegende Kindheitserinnerung mit diesem Blog zu tun?
Irgendwie kommt das Ende einer Islandreise für mich immer schneller als gewünscht. Gefühlt bin ich kaum angekommen, sitze ich schon wieder im Flugzeug nach Hause. Im September 2019 kreisten meine Gedanken um die Vorstellung, wie es wohl wäre, wenn ich folgenden Traum in die Tat umsetzen könnte:
‚Einfach einmal Island bereisen - so lange ich will und völlig unabhängig von allem‘
Ja, es war eine scheinbar unerreichbare Vision. Aber ich war zuversichtlich, dass es irgendwie möglich sein sollte zumindest einen Teil davon Wirklichkeit werden zu lassen!
Die Projektidee war geboren, doch womit anfangen?
Das war eine schwierige Frage die ich mir stellte und auch nicht wirklich beantworten konnte. Deshalb habe ich mir stattdessen überlegt, wie viele Wochen ich es mir beruflich und privat leisten könnte eine Auszeit zu nehmen? Der Punkt, den es zu klären galt, zielte bewusst auf 'den am wahrscheinlichsten möglichen Zeitraum' ab.
8 bis 10 Wochen. Das war das Ergebnis, die sich für mich am besten anfühlte.
Zu welcher Jahreszeit wollte ich reisen? Das war nun die leichteste aller Fragen. Natürlich zur Zeit der Mitternachtssonne. Also jeweils ein paar Wochen vor und nach dem 21.Juni. In dieser Zeit blüht Island im wahrsten Sinne des Wortes auf. Die Temperaturen sind ideal, das Hochland ist passierbar, die Wale und Papageientaucher sind vor Ort und man hat nahezu 24 Stunden Zeit seinen Tag zu gestalten...
Für mich prinzipiell ‚wenig bzw. frei von Abhängigkeit‘. Bislang war ich immer in Begleitung unterwegs gewesen. Einerseits hatte ich dadurch sehr viele Vorteile, andererseits auch gewisse Herausforderungen. Jeder Mensch ist einzigartig und hat gewisse Eigenheiten. Ein gemeinsamer Urlaub bringt unweigerlich Kompromisse mit sich. Das heißt nicht, dass es nicht wunderschöne Urlaube waren. Vielmehr bedeutet es nur, dass ich, wie alle anderen auch, nicht zu 100% das tun konnte was ich wollte.
Eine wichtige Rahmenbedingung war für mich folglich, dass ich alleine reisen wollte.
Zu klären war auch das Thema Unterkunft. Bei allen bisherigen Reisen hatten wir die Übernachtungen vorab gebucht.
Ich bin ein Sicherheitsmensch und schätze es sehr, bereits am Morgen zu wissen, dass ich abends ein Bett und eine Dusche haben werde. Das Ganze hat nur leider nicht viel mit Unabhängigkeit zu tun. Wenn man gerne an einem Ort bleiben möchte, muss man weiter, da die Unterbringung bereits fest ist. Ebenso kann man nicht einfach der Sonne entgegenfahren, wenn das gebuchte Quartier im Schlechtwettergebiet liegt.
Somit ergab sich ein neuer Eckpunkt. Ich wollte möglichst flexibel und ortsunabhängig übernachten können.
Die Idee die sich daraus ergab, war mit dem eigenen Auto nach Island zu reisen und dieses so umzubauen, dass man auch darin schlafen kann. Natürlich ist es seit 2013 Pflicht auf einem Campingplatz zu übernachten. Aber meine Hoffnung besteht darin, dass es einfacher ist, spontan auf einem der Campingplätze unterzukommen als in der Hauptreisezeit ein bezahlbares Hotelzimmer zu finden.
Zusätzliche Anforderung. Das Auto muss groß genug sein um notfalls darin schlafen zu können.
Als letzten Punkt beim Thema Unabhängigkeit fielen mir die isländischen Straßenverhältnisse ein. Selbst die Ringstraße ist an manchen Stellen sehr 'rustikal'.
Im Sommer 2018 trafen wir im Süden auf Bauarbeiten an einem Teilabschnitt
vor Vík. Wir mussten notgedrungen etliche Kilometer auf einer rauen Schotterpiste fahren. Wir waren in diesem Moment außerordentlich dankbar, dass es 'nur' den Lack und den Unterboden des Mietwagens traf und nicht unser eigenes
Auto.
Unvergessen auch der Weg zum Tröllkonuhlaup als sich die geteerte Fahrbahn wie aus dem Nichts für 500 m in eine unbefestigte Sandpiste verwandelte. Auf dem kaputten Abschnitt sah man den Asphalt zertrümmert etwa 2 Meter neben der Straße
liegen.
Ein starker Wind hatte an einem stürmischen Tag den Fahrbahnbelag einfach abgehoben und sauber daneben wieder abgelegt.
Außerdem gibt es in Island noch etliche F-Roads (F - "Fjallvegur" - Bergstraße) welche nur mit einem allradgetriebenen Geländewagen zu befahren sind. Vor allem durch das Hochland kommt man nur mit einer entsprechenden Ausstattung. Also formulierte ich folgende Anforderung:
Das Auto muss geländefähig mit Allradantrieb und Sperrdifferntial ausgestattet sein.
Nachdem die wichtigsten Eckpfeiler gefunden waren, gab ich meinem Vorhaben den Arbeitstitel 'Projekt Mitternachtssonne 2020' und formulierte den Inhalt:
Im Jahr 2020 für 8-10 Wochen Island zur Zeit der Mittsommernacht alleine in einem geländefähigen und bewohnbaren Pkw bereisen.
Jetzt konnte es daran gehen das Ziel in den folgenden Wochen und Monaten zu verfolgen und den Traum im Jahr 2020 Wirklichkeit werden zu lassen...
Geländegängig und ausreichend groß sollte mein Auto sein. Für welchen Offroader ich mich entschieden habe und weshalb.
66 Stunden dauerte die Überfahrt von Dänemark nach Island. Zeit genug neue Erfahrungen zu sammeln, wie zum Beispiel wozu es gut ist das Handy in den Flugmodus zu schalten und weshalb die Uhren auf dem Schiff anders gehen.
Nach dem Kauf, sollte das Auto zum Camper umgebaut werden. Welche Grundkonstruktion wir gewählt haben und welche Herausforderungen es zu meistern gab